Musik- und Tonträger zerstören!

Schallplatten? – veraltet! Ist doch nur was für Opas und Klassikspinner.
Musikkassetten? – Hä? Issn ditte? Krass, wer hat denn so was noch?
CDs? – Ach, so was hatte mein großer Bruder. mp3 ist „die neue CD“, Alter!
Innerhalb eines Jahrhunderts gab es einen enormen Sprung im Umgang mit Musik und Ton.
Wer als Kind noch Volkslieder in der Schule gelernt hat, weiß, dass es etwas sehr schönes, verbindendes sein kann, wenn eine ganze Klasse gemeinsam schwingt …

Wer noch die Atmosphäre eines Lagerfeuers mit Gitarrenmusikbegleitung kennt, weiß, was es bedeutet hat, wenn einer eine Gitarre mitgebracht hat und zu den mühevoll einstudierten Griffen alle gemeinsam die Lieblingssongs der Idole geschmettert haben.
Wer in der Schule morgens beim Appell Staatslieder aufsingen musste, weiß allerdings, wie eklig es sein kann, sich ohnmächtig fremdgesteuert zu fühlen.
Weil aber alle diese früheren Arten des Musikerlebens den Ruch von alter, unangenehmer Zeit haben, wird heute kein Gedanke mehr daran verschwendet, warum Musik so wichtig und verbindend ist und immer einen hohen Stellenwert in jeder Gesellschaft hatte.
Heute misst sich dieser Stellenwert nur noch an den Verkaufszahlen der Musikproduktionen. Qualität ist nicht der Maßstab. Als verbindend kann man die heutige Musik zwar noch erkennen, nicht mehr aber als generationenübergreifend und nicht mehr innerhalb einer Generation. Dazu hat sich eine zu große Vielfalt ergeben. Das hat zwei Seiten, die ich beide nicht verurteilen und daher hier auch nicht beurteilen möchte.
Jedoch ist auch einiges verloren gegangen, was seine eigenen Reize hatte: oben beschriebenes Gitarrenlagerfeuergezupfe, die Hausmusik mit der ganzen Familie mit echten Instrumenten (ja, echt, so was gab’s mal!); der Garagen- Indie- Rock unter zotteligen Jungs- Rebellen. Alles wich innerhalb des letzten Jahrzehnts der digitalen Musikerzeugung- und Speicherung.

Es werden keine Kassetten- oder CD- Covers mehr selbst gemalt und aufwändig gestaltet.
Es werden schnell ein paar Playlists erstellt und mühelos per Stick oder Blauzahn dem anderen überspielt.
Da fehlt doch ganz und gar die Liebe dahinter, die Mühe, die es früher bereitet hatte, für jemanden neue Musik aufzunehmen.

Wie ist es damit:

  • Sich eine neue Platte gekauft zu haben und diese dann wie einen Schatz nach Hause zu tragen und das erste Mal aufzulegen- wer wird dieses Gefühl heute je erleben und verstehen können?
  • Sich einen Film von einem Freund mithilfe zweier VHS- Rekorder zu überspielen, leider unter enormem Qualitätsverlust aber immerhin, man hatte ihn endlich auch in der Sammlung. Solche bescheidene Qualität will heute keiner mehr anschauen und auch das Laufgeräusch des Rekorders ist fürchterlich laut und unangenehm. Warum hat uns das früher nicht gestört? Weil wir uns mehr mit den Inhalten beschäftigt hatten?
  • Sich den Text eines Lieblingssongs zu übersetzen mit dem Wörterbuch? Dafür gibt es ein paar Klicks im Internet oder sogar schon irgendwo die Übersetzung.

Jetzt stehen wir da vor unserer Schallplatten- Musikkassetten und VHS- Sammlung und plötzlich ist das alles nichts mehr wert?
Mann kann sich noch so freuen, dass das digitale Zeitalter eine Menge wirklich guter Veränderungen mit sich brachte. Keiner möchte die wieder missen müssen.
Aber die alten Gefühle sind ebenso wichtig und wollen wohlwollend verabschiedet werden.
Da passt es wunderbar, wenn man seiner Enttäuschung über die ersatzlose Verabschiedung der alten Medien mit etwas Gewalt freien Lauf lässt und alles zerkloppt, was einmal viel wert war. Jetzt ist der Weg frei für die leichte Zahlenwelt der digitalen Dateien …


Teil 3 der Trilogie: „Medien zerstören!“
Siehe dazu die anderen Teile:
Teil 1: Bücher zerstören!
Teil 2: Fotos zerstören!

Model dieser Serie: Marcel Teuber
Foto- Assistenz: Cristian Periscal Julien