Bücher zerstören!

Im weiten Netz dieser Welt scheint alles greifbar zu sein. Abgreifen ist das Rangehen. Möglichst viel sammeln in der Playlist, Videolist, Friendslist, etc.
Man kauft keine Zeitschriften und Magazine mehr am Kiosk, jeder liest Magazin XY- online und schaut sich die Musikvideos und bunten Bilder im Netz an.
Man kann sich schön alles runterladen und sich vollmüllen.
Wie war das gleich noch mal früher?

Bücherregal, ach ja- das gab’s ja auch mal. Solange man nicht umziehen muss, geht das ja. „Aber nee, so Bücher sind doch voll umständlich. Und lesen geht irgendwie gar nicht mehr. Nervt. Dauert. Kann man nicht vorscrollen und nix rauskopieren.“
Viele Menschen liebten Bücher. Den Geruch des Papiers ob alt oder neu. Die Gemütlichkeit im Bett oder auf dem Sofa. Kein Kabel, kein Brummen.
Da waren Optik und Haptik im Verbund nicht unwesentlich: die Gestaltung des Bucheinbands, die gesetzten Buchstaben, die Bebilderung im Text. Das Papiermaterial. Das hatte schon was! Ein Buch hat man sich selbst gekauft oder schenken lassen, hat es weiterempfohlen, sogar ausgeliehen und meist nur selten ohne großes Hinterhergerenne oder schlimmstenfalls nie wieder zurückbekommen. Bücher vagabundierten. Man konnte darin die Spuren der vorherigen Leser finden: die Eselsohren, Kaffeeflecken, Unterstreichungen an rätselhaften Stellen. Ein Buch lebte vom Gebrauch, je älter es wurde und es umwehte mit jedem Leser ein wachsendes Gefühl der Verbindung mit einer großen Lesergemeinde. Was sind denn Bücher jetzt noch wert?
Zu was sind sie zu gebrauchen? Reine Deko? Heizmaterial?
Müssen sie nicht erst recht bewahrt werden, jetzt, wo sie vielleicht nicht mehr lange existieren werden? Ist das Buch eine aussterbende Sache?
Doch halt! Genug geheult und schöngeredet: es gab auch unendlich viele vollkommen unnötig aufgebauschte, schlecht gestaltete und nicht weiter empfehlenswerte Bücher. Jeder nach seinem Geschmack, ganz klar, aber einige Bücher können weg!
Also los: räume auf! Sei radikal! Befreie Dich!
Raus aus dem Regal mit den halbherzig aufbewahrten Büchern, die vielleicht eine Saison den Zeitgeist trafen aber keine Erinnerung in Deinem Hirn hinterließen.

Zerschneide das falsche Band, welches die Versteher- und Selbsterkenntnis- Literatur zu Dir knüpfen wollte und einen Single-Sommer lang geschafft hat. Es ist eine falsche Freundschaft!

Weg mit den alten Lexika! Der Wissensplatz kann anders genutzt werden. Bohre ihnen die Löcher in den Buchdeckel, die Du schon längst anderen Menschen hättest in den Bauch gefragt haben sollen. Interessiere Dich für die Lebenden und lass die Toten!

Zerreiße die befindlichkeitsschwangeren Romane, die Dich sowieso nur in eine noch traurigere Stimmung gebracht haben, weil das ersehnte Land unerreichbar war. Heute steht Dir die Welt wirklich offen. Nutze es endlich!
Verbrenne die kalten Kunstromane, die nur geschrieben wurden, um zu Deinem Designersideboard zu passen. Wärme Dich auf an ihrer stinkenden Flamme!

Lass die Wut raus! Zerstör das, was Dich lange genug davon abgehalten hat, Dich zu strecken und zu recken nach Erkenntnis, Erweiterung, Aufklärung, Transparenz. Übrig muss bleiben, was schon immer gut war!
Nur: im Netz wird ein neues Netz gewoben. Verfang Dich nicht!