Krise Luftballon Blase.
Als ich unterwegs war mit einem Freund, um ein kleines Fotoprojekt über Bewegung umzusetzen, kamen wir auch auf einen Spielplatz. Der Inbegriff der Unbeschwertheit und der Illusion, dass es noch eine friedliche Zukunft für unsere Kinder geben könnte.
Im Getümmel haben wir Fotos gemacht und plötzlich fiel mir dieser Luftballon auf, der da vor sich hin tanzte. Er war an einer Aktentasche angebunden und gehörte vielleicht zu einem Vater, der sein Kind nach der Arbeit von der Kita abgeholt hat …
Lange stand die Tasche da und der blaue Ballon weckte in mir ganz viele Assoziationen. Zuallererst dachte ich natürlich an den Weltkriegsschlager: „kauf Dir einen bunten Luftballon, nimm ihn fest in Deine Hand; stell Dir vor, er fliegt mit Dir davon in ein fremdes Märchenland …“ Ja, das würde heute wieder passen, sich in ein Zauberland wegzuwünschen, bei den Themen, die die Menschen derzeit beunruhigen.
Der Luftballon als Symbol für die dünnhäutige aufgeblasene Verletzlichkeit unserer Situation. Aber er kann uns auch wegtragen, wenn wir nur leicht genug sind und er groß genug.
Dann dachte ich an die blaue Blume, das Sinnbild für die Suche der Romantiker nach der verborgenen Idylle im Angesicht der Bedrohung durch die damals fortschreitende industrielle Revolution und der Beschleunigung der Welt, derer sich die Menschen damals ausgesetzt sahen. Ein jeder sucht nach seiner blauen Blume und so sprießen ein Schischi- Laden nach dem anderen aus dem Boden. Läden, in denen harmoniesuchende Zugezogene aus der Restrepublik eine Idylle propagieren mit rosarot und himmelblaufarbenen Artikeln für ihren süßen Nachwuchs, dass es nur so krach vor Kitsch. Was den Großeltern der röhrende Hirsch war, ist den heutigen biederen Jungfamilien der Internetbestellzugang zu unnützen aber sehr niedlichen Dingen.
Und dann fielen mir einige Werbespots ein, wo Menschen irgendwelche Dinge mit sich herumtragen, ohne dass sie es merken: Grippebazillen, schlechte Versicherungen, Handypeilsender der eifersüchtigen Freundin usw. Nur wir Zuschauer sollen wissen, dass es möglich ist, anderen etwas anzusehen.
Wenn es aber so offensichtlich ist, wenn ein Mensch einen blauen Luftballon an seiner Aktentasche mit sich herumträgt, dann kann uns das schon zu denken geben: wir wissen absolut nicht, was es damit auf sich hat und was er damit aussagen möchte.
Dieses Nicht- Wissen um versteckte Information, die sich in irgendeiner absurden Aussage/ Handlung/ Symbolik findet, die sich nicht sofort erschließt, finde ich weitaus beunruhigender als alles andere Wissen, welches man sich beschaffen kann.
Daher war mir der blaue Ballon mehr Sinnbild für die derzeit sehr verschleierte Situation in der wir uns befinden.
Lasst uns alle unsere Bedenken/ Ideen/ Gefühle/ Freuden und Ängste an unsere Taschen, Jacken, Mützen und auf unsere T-Shirts kleben und jedem anderen damit das Gefühl geben wissen zu dürfen, wo man beim anderen dran ist.