Im Werk- und Bastelkeller meines Vaters steht ein alter Schreibtisch aus den 50er- Jahren, den er einmal aus seinem Büro mitgebracht hat, als seine Firma modernisiert wurde.
Schon als Kind hat mich an diesem Schreibtisch eines besonders interessiert: die Stiftschale in der eigens für sie angedachten schmalen Schublade gleich unter der Platte.
In dieser Schale aus Bakelit hat mein Vater Dinge gehortet, die mich als Kind in ihrer Zusammenstellung schon immer mehr verwundert haben. Das machte das Besondere dieser Stiftschale aus: da lagen Dinge nebeneinander, die thematisch gar nicht zusammengehörten, sich aber dennoch in ihrer Allianz sehr gut zu einem Ganzen zusammenfanden, das mächtig beeindruckend war. So beeindruckend, dass ich diese Schublade immer heimlich aufzog, wenn mein Vater es nicht bemerkte.
Oder ich fand einen Vorwand, um einen besonderen Markierstift herausnehmen zu müssen für diese oder jene Arbeit. Alleine diese Stifte, die möglicherweise zum Anfangsinventar des Büros gehörten, in dem der Schreibtisch einmal immerhin der eines Abteilungsleiters war. Und dieser besonders bevollmächtigte leitende Angestellte hatte Kopierstifte und allerlei andere Markierstifte, mit denen er in den Dokumenten seiner Untergebenen herumwütete.
Jetzt ist mein Vater tot, ich bin erwachsen und die Stiftschale liegt verwaist in ihrer Schublade.
Dennoch hat sie nichts von ihrer Faszination verloren und sie wird in Ehren gehalten werden, auch wenn der inzwischen sehr ramponierte, instabile Schreibtisch doch bald einmal ausgedient haben wird.