Arbeiterschliessfächer

In der DDR- Umgangssprache nannte man große Wohnkomplex- Neubauten „Arbeiterschließfächer“, weil die Bewohner da abends nach der Arbeit wie weggeschlossen erschienen.

Man sah sie nur auf dem Weg von und zur Arbeit. Am Wochenende waren sie auf ihrem „Grundstück“, ihrer Datsche, also auch nicht zu sehen.
Trotzdem war man froh, wenn man eine Wohnung in einem solchen Neubau erhalten hatte. Man hatte es geschafft, aus der Wohnungsnot und den bröckelnden Altstädten zu flüchten.

Und das warme Wasser kam direkt aus der Wand.

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In der BRD waren riesige Wohnkomplexe als Innovation in der neuen Stadtplanung anfänglich als integrativ und sozial und offen angedacht gewesen, was sich später als schierer Alptraum herausstellte.

Eine zunehmende Verslumungs- Tendenz machte sich breit. Der Anteil der sozialschwachen und wenig an Gemeinschaft und Integration interessierten Bewohner nahm Überhand. Die Anonymität in solchen Wohnblocks wurde der ständige Mitbewohner und die auf Gemeinschaft gebauten Siedlungen wurden zu Gettos.

Jetzt stehen diese Kolosse da in den Städten und sind gefüllt von allerlei Menschen unterschiedlicher Art. Wirklich?

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Es gibt Theorien, was solche Blocks und die Wohnungen mit 2 Meter 30 Deckenhöhe mit deren Bewohnern machen. Dass sie mangels fehlender Lufthöhe in den Zimmern auch recht eingeschränkt denken und sich wenig über sich hinaus entwickeln. Gewagte Theorie.

Es gibt Ansätze, solche Wohnsilos zurückzubauen, weil die Menschen lieber wieder in die sanierten Altstädte zurückziehen, wo jetzt auch warmes Wasser aus der Wand kommt aber das Umfeld einfach viel hübscher ist.

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Es kann in den Plansiedlungen noch so grün sein, die Kleinteiligkeit der einzelnen Wohnbereiche lässt kein Gefühl von Weite im metaphysischen Sinn zu. Hier wird man auf 2 Meter 30 kleingestutzt und kann sich nur noch schwer davon befreien.

Es gibt aber auch Fans, die in die Platte ziehen, weil es so schön „retro“ ist und weil der blanke Beton an den Wänden „stylisch“ ist. Kann man auch nachvollziehen. Das sind aber eher wenige und der Verdacht liegt nahe, dass sie sich das einreden, weil die Mieten einfach noch sehr viel billiger sind. Nein, das stimmt nicht. Die Platte hat ihren Reiz- aber nur innen.

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Architektonisch gesehen gibt es „große Würfe“. Das kann man nicht leugnen. Scharfe Kanten, irre Blickbeziehungen, tiefe Schächte, Fluchten, endlose Reihungen.

Die Lust an der Serie und den etwas mitschwingenden Sadismus der Architekten kann man nachvollziehen- die devoten Bewohner sind nicht wirklich devot, eventuell nur gezwungen. Die Wut auf die Architekten verpufft und kommt nicht aus den Vierteln heraus und wird sie niemals erreichen- die Architekten wohnen nämlich weit weg; lieber in hübschen Altbauwohnungen und möchten ihre Betonburgen auch nicht unbedingt sehen wollen und schon gar nicht darin leben wollen.