Laut einer Studie ist es dem Menschen innewohnend, dass er ab und an bei zufälligen Anordnungen von Gegenständen, Strukturen oder Lichtspielereien menschliche Anmutungen entdeckt.
Nur, was für ein Persönlichkeits- oder gar Krankheitsbild hat man, wenn man ständig und überall Gesichter sieht?
Sind das abgespaltene Geister meiner Seele? Bin ich verrückt? Oder habe ich eine Gabe, andere Wesen zu sehen, die auch leben, wenn auch im Verborgenen und scheinbar unbewegt, unbelebt?
Was passiert eigentlich in den Schubladen und Schränken, wenn sie geschlossen sind? Tun die Dinge darin nicht vielleicht einfach nur so, als wäre nichts geschehen, wenn wir die Schubladen wieder aufziehen?
Ich glaube, dass wir mit ihnen leben: mit den „Anderen“! Wo immer man geht und steht, sie sind allgegenwärtig.
Ob man U- Bahn fährt oder Zug, ob man auf dem Bahnsteig wartet oder im Café einen Milchkaffee bestellt; bei allen Verrichtungen des Tages kontrollieren sie uns.
Nicht alle schauen sie uns dabei miesepetrig an. Es gibt dabei sogar einige sehr freundliche Gesellen. Man kann sie beinahe mögen, wenn da nicht dieses mulmige Gefühl wäre, ständig beobachtet zu werden…
Du sitzt bei Deiner Tante auf dem Balkon und entdeckst sie am Brüstungsgitter, wie sie Dich beim Brunchen anstarren. Man kann nicht mal Musik hören, ohne dass sie einen mahnend anbläuen, was für einen Sender man denn schon wieder eingestellt hat und jedes Mal, wenn ich die Hoftüre nicht wieder in den Feststeller eingehakt habe, kräht er mich aus der Ferne an. Es macht mich fertig!
Sie stehen Dir in der Straßenbahn plötzlich gegenüber und geben vor, lediglich ein Behältnis für den Feuerlöscher zu sein. Und auf dem Weg zur Uni tauchen sie aus dem Boden auf wie die Morlocks. Auf diesen Lüftungsschächten sitzt niemand. Zu groß ist die Angst, dass sie einen herunterziehen in ihre Unterwelt…
Sie wohnen in meiner Hosentasche und tun so, als wären sie ein Geldbeutel mit Reißverschluss fürs Kleingeld. Sie thronen als Wächter- Riegel an meinem Wäschespint und umschlingen mich dann täglich als Schnalle an meinen Gürtel.
In meiner Wohnung verstecken sich noch mehr von ihnen. Im Bad wartet ein Anderer jeden Morgen in meiner Dusche und wenn ich meine Wäsche mache dürstet meine 4- äugige Waschmaschine mit ihrem Breitmaul nach Flüssigwaschmittel. Bevor ich den Stecker reinstecke, wundere ich mich jedes Mal darüber, wieviele Gesichtstattoos der „Andere“ hat.
Lustige Gesellen verstecken sich manchmal auch an Wänden. Wenn man eine Lampe abschraubt, um die Wand zu streichen. Oder sie sitzen weit oben und tarnen sich als Lüftungsschacht in der Küche.
Ich bin jetzt wachsam – sehr wachsam! Mir entgeht keiner! Eines Tages verstehe ich, was sie vorhaben – dann bin ich vorbereitet…