Schon als Kind habe ich auf meinen Streifzügen durch Wald und Feld immer wieder tote Tiere gefunden und diese lange betrachtet. Das hat mir die Angst genommen und den Ekel vor dem Tode, den viele Menschen haben.
Immer kommt bei ihnen als erste Reaktion beim Anblick eines solchen Bildes ein lautes „iihhh“. Kein Mitleid mit der geschundenen Kreatur, die da den ganzen Todeskampf offenlegt, kein Bedürfnis, die toten Tiere von der Fahrbahn zu nehmen um ihnen einen würdigen Ort zum Verwesen zukommen zu lassen.
Es gibt keine Barmherzigkeit für die herzigen Tierchen …
Auch wenn ich manche Tiere nicht besonders mag wie z. B. Tauben, die mir morgens um 5 Uhr mit ihrem eintönigen Gegurre mächtig den Schlaf versauen, so rührt es mich doch an, eine tote Taube, alleine, ganz verlassen auf einem Parkplatz zu sehen. Einige Minuten später ist sie plattgefahren. Am nächsten Tag dann kann man sie nur noch erahnen. Eine Bestattung war mir gar nicht möglich.
Bei einem Shooting entdeckte ich diese durch einen Hund totgebissene und unter Schmerzensschreien verendete Katze auf einem Friedhof. Wir mussten schnell weiter, um noch alle unsere Motive zu erstellen. Ich konnte die arme Mieze nicht aus meinem Kopf bekommen. Am nächsten Tag war sie fort. Tote Katzen erscheinen in meinem Leben sonderbarer Weise immer dann, wenn eine Situation beinahe mein eigenes Leben gekostet hätte. Sind sie also für mich stellvertretend gestorben? Als Kind habe ich öfters tote Katzen in den Maisfeldern gefunden, durch die ich im Sommer streifte und mich versteckte. Es war ein wunderschöner Ort und die Katzen hatten ihn sich wahrscheinlich sehr bewusst gesucht um zu sterben. Auch ich könnte mir durchaus vorstellen, in einem Maisfeld zu sterben. Mein Gesichtsausdruck wäre dann sicherlich ein sehr beruhigter.
Ratten berühren mich immer sehr, denn sie liegen so kuschelig friedlich tot herum. Ratten sind so kluge Tiere; zu wissen, dass man sie hinterhältig vergiftet ist für mich schon eine echte moralische Herausforderung. Hin- und her gerissen zwischen der Vernunft des Mieters, der seinen Keller rattenfrei haben möchte und dem Tierfreund, der jede Kreatur schützen möchte. Ratten leben mit uns, Millionen davon leben in Berlin. Sie gehören dazu. Sich vor Ratten zu „schützen“ indem man sie vergiftet ist albern. Sie nicht in Versuchung zu bringen, sich unserem üppigen Wohlstandsleben mit vollen, heimeligen Kellern und berstenden Abfallkübeln voller leckerer Lebensmittelreste anzunähern wäre die beste Lösung. Sie verenden also durch das ausgelegte Rattengift in unserem Hof und schaffen es nicht einmal mehr an einen ruhigen Ort zum Sterben. So fallen sie dort um, wo sie gerade waren. Ihre feinen Ärmchen und Fingerchen liegen eng aneinander, man möchte sie fast streicheln, so feingliedrig und zart erscheinen sie, fast wie im Schlummerschlaf.
Oder dieser kleine Igel, der nur noch eine breiige Masse ist voller Maden. Zwei junge Mädchen um die 12, 13 Jahre alt, finden es sogar witzig, mit den Schuhen dranzustubbsen um das wabbelige Etwas in Schwung zu bringen und die Fliegen aufzuscheuchen. Achtlos haben sie ihr Kaugummipapier auf ihn geworfen und kauen dabei breit mit ihren dummgrinsenden Mäulern. Wo ist da das Mitfühlen?
„Zeig mir, wie Du mit Tieren umgehst und ich sage Dir, was für eine Art von Mensch Du bist!“