Die Sage von Orpheus und Eurydike kennt kaum noch jemand der heutigen Generation.
In meiner Jugend las man noch die „Sagen des klassischen Altertums“ in der Sammel- Ausgabe von Gustav Schwab. Was hab ich mitgelitten mit den Göttern, den Musen, den Nymphen und den ganz einfachen Wesen: den Menschen!
Dabei hat gerade die Sage der beiden Liebenden in ihrer Tiefe, der Tragik und der Interpretationsmöglichkeit doch so viel Ähnlichkeit mit den Beziehungsstrukturen, die man bei den meisten jungen Menschen heutzutage findet: hilflose Versuche, etwas zurück zu gewinnen, was vorbei ist, bis hin zum endgültigen Erstarren in seiner unumkehrbaren Unbeweglichkeit.
Orpheus, der von den Göttern und Menschen geliebte Sänger, konnte den Tod seiner Geliebten und Braut Eurydike nicht verkraften. Sie starb, nachdem sie von einem ollen Gott vergewaltigt wurde, an einem Schlangenbiss. Orpheus stieg herab in die Unterwelt, um den Gott der Unterwelt mit seinem Gesang davon zu überzeugen, ihm seine Braut wieder zurückzugeben. Hades, der Gott der Unterwelt willigte ein mit der Bedingung, dass sich Orpheus bei der Rückkehr in die Welt der Lebenden nicht umdrehen durfte, während seine Braut ihm folgen sollte. Er willigte ein und wollte sie also da rausholen. Und da passierte es: Orpheus hörte ihre leichten Schritte nicht mehr und drehte sich um.
Der Dussel! Sie musste wieder zurück. Für immer.
Was sagt uns diese Sage heute?
Wieviele Beziehungen enden am mangelnden Vertrauen? Oder an der Unfähigkeit, gehen lassen zu können. Am Wesen der Menschen, sich auf eine Person zu fixieren, komme, was da wolle (auch wenn diese von einem Nebenbuhler ausgespannt wurde). So viele Menschen fühlen sich fremdbestimmt: hatte Eurydike eigentlich auch was zu sagen? Wollte sie denn wirklich zurück in die Welt der Lebenden nach der Verletzung, die man ihr angetan hatte? Wo war denn Orpheus, als sie vergewaltigt wurde? Holte er sie wirklich aus Liebe zurück? Warum hat er ihr dann nicht getraut, dass sie ihm folgen würde, obwohl er ihre Schritte nicht mehr hörte. Wenn er sie wirklich unbedingt hätte zurückhaben wollen, dann hätte er den Deal bis zum Ende durchziehen müssen, oder? War er sich sicher, was er da tat oder war er schlichtweg gekränkt, dass ein Nebenbuhler sie berührt hatte? Musste er sich männlich beweisen, dass er die Kontrolle hat über die Situation?
Es bleiben so viele Fragen offen; gestern wie heute ist das Schicksal der Menschen abhängig vom Vertrauen zueinander …
Ausstellung im Galerie- Restaurant Oxon Magenta, Greiffenhagener. Str., Berlin- Prenzlauer Berg