Schon als kleiner Junge haben mich Baustellen und Baulücken magisch angezogen.
Bei den Baustellen waren es die vielen schweren Maschinen in Aktion und bei den Baulücken das Fehlen.
Bewegung und Stillstand also.
Ich begann, mir die Baulücken genauso lange und intensiv anzuschauen wie die Baustellen, obwohl es in den Baulücken so ruhig war. Scheinbar.
Aber das, was man dort entdecken konnte, war für mich Ereignis genug: die Farben der Wände, die aufzeigten, wo einmal welches Zimmer war. Die Kanten und Linien, die Zimmertrennwände und Treppen waren. Die zugemauerten Türen in den noch stehenden Seitenflügel, die Kacheln an den Wänden, die in einem Badezimmer oder einer Küche dienten. Die Kaminreinigungsklappen, die plötzlich scheinbar nutzlos in schwindelnder Höhe unzugänglich waren. All das hat meine Fantasie mehr beflügelt als irgendein Buch oder eine Geschichte es je konnten.
Ich begann als Junge Baulücken zu fotografieren. Als ich dann meine erste Kamera geschrottet hatte und keine neue bekam, lief ich mit einem alten Diarähmchen aus Alu herum und sah mir die Baulücken durch das Rähmchen an, damit ich wusste, wie es als Foto wirken würde.
Da ich durchs Abi fiel wegen zweier fehlender Punkte, konnte ich mein Studienziel Architektur und Kunstgeschichte erstmal nicht angehen und dachte, es später, nach dem Zivildienst nachzuholen. Der „Zuvieldienst“ brachte mich ganze 20 Monate nach München, wo ich dann endlich wieder Baulücken aufnehmen konnte mit meiner ersten eigenen Spiegelreflexkamera.
So auch dieses wunderbare Exemplar. Das Abi habe ich nie nachgeholt- dafür war keine Zeit mehr neben der Leidenschaft für das Sehen. Meine einzige Sucht- die Seh- Sucht, werde ich nie aufgeben. Auch nicht für einen Schein! So stehe ich noch heute angewurzelt vor Baulücken und sehe mir alles genau an.
Bitte nicht stören!